Bernd Kullmann (* 1954) erzählt: „Damals war Helmut Kiene (* 1952) sicher der beste Kletterer in Deutschland, vor allem auch alpin. Im Herbst 1976 waren wir in den Dolomiten und top in Form (Gogna an der Marmolada in sechs Stunden). Da erzählte er mir von seiner Idee im Kaiser und wir sind hingefahren – aber ins volle Sauwetter hinein. Zum Trost sind wir nach München aufs Oktoberfest und haben dort Jim Bösenecker aus Garmisch getroffen. Beim Glattstrich in einer Münchner Kneipe haben wir noch einen Amerikaner aufgelesen, dann bin ich nach vier Maß Bier mit Jims Bus nach Garmisch gefahren – der Ami hat sich beim Aufwachen gewundert, dass München doch so nahe an den Alpen liegt. Im Juni 77 hat Helmut mich wieder wegen des Projekts gefragt, aber ich hatte ein Seminar, das ich nicht verpassen wollte, und hab gesagt „frag doch mal den Reinhard“. Wenn ich gewusst hätte, was für eine Bedeutung die Route bekommt, hätte ich vielleicht doch lieber das Seminar geschwänzt. Andererseits waren Reinhards Fotos für die Veröffentlichung und die Wirkung Gold wert. Ich wäre ja auch nur nachgestiegen.“

Reinhard Karl (1946-1982) fing wie kein zweiter die Atmosphäre des Alpinismus der 1970er-Jahre und des frühen Sportkletterns auf, als Fotograf wie als Autor des legendären Buchs „Zeit zum Atmen“. Der Satz „Wirklich oben bist du nie“ stammt von ihm. Öffentlich bekannt wurde er allerdings als erster Deutscher auf dem Mount Everest 1978; Bernd Kullmann erreichte den Gipfel im Herbst des gleichen Jahres auf einer Expedition des Münchner Arztes Karl Maria Herrligkoffer – mit 2

Helmut Kiene dagegen trat nicht groß ins Rampenlicht – außer mit dem Beitrag für die DAV-Mitteilungen, in den er das Fehlkonzept einer durch die Formulierung „Grenze des Menschenmöglichen“ limitierten Schwierigkeitsskala entlarvte: „Definitionsgemäß bedeutet dies, dass bei Eröffnung einer Neutour, die schwieriger als die bisher schwierigsten Kletterrouten ist, jene neue Führe mit VI+, nämlich „äußerst schwierig, obere Grenze“ bewertet würde. Alle anderen Routen müssten nach dieser neuen VI+-Kletterei ausgerichtet und abgewertet werden. Bisherige VI+-Touren würden zu VI, VI würde zu VI-, VI- zu V+ u.s.w. … Es ist aber ein Unfug, die Schwierigkeitsbewertung des Mittelfeldes von den Exzessen der Spitze her zu dirigieren. Eine Tour der Schwierigkeit V- muss ihren Schwierigkeitsgrad V- beibehalten, unabhängig davon, ob irgendwo ein Spitzenkletterer die „obere Grenze“ des „äußerst Schwierigen“ nach oben hin verschiebt.“ Kiene hörte kurz danach mit dem Klettern auf – einerseits, weil er spürte, dass er auf eine Art unterwegs war, die er nicht mehr lange überleben würde, zum anderen aus Begeisterung für die Wissenschaft der Medizin.

Dass die Zeit reif gewesen war und der siebte Grad auch in Westdeutschland schon lange Realität, bewiesen etliche Wiederholungen von Kletterern aus allen Bundesländern, die in wenigen Wochen nach der Erstbegehung folgten – während einige alte alpine Haudegen in den Zeitschriften noch diskutierten, ob der siebte Grad anerkannt werden solle.

Helmut Kiene in den “Pumprissen” / © Reinhard Karl / Historisches Alpenarchiv
Bericht über die Erstbegehung der Pumprisse in den Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins / © Historisches Alpenarchiv

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